Geburtstag im Emsland Montag, 12. November 2007, 16:43
Ich bin gebürtiger Emsländer und mittlerweile exiliert. Mein Weg führte mich nicht weit weg, aber zumindest bin ich raus gekommen. Dieses Ziel, die bäuerlichen Wurzeln hinter uns zu lassen, um aufgeklärte Stadtmenschen zu werden, etablierte sich bei mir und meinen emsländischen Freunden in etwa ab dem 15. Lebensjahr. Bis wir 20 waren, das Abitur gemacht haben und endlich die Koffer packen konnten, um Zivildienst zu machen oder studieren zu gehen, setzten wir uns mit den gängigen Riten auseinander und schworen uns, niemals so zu werden, wie die traditionellen, stolzen Emsländer. Also bspw. niemals CDU wählen, Mitglied des Schützenvereins werden, Sonntags Kirchgang, Landjugendfeten und endlich Eigenheim mit Kindern in einem ruhigen Vorort. Ganz besonders wollten wir niemals die merkwürdigen Saufrituale mitmachen (was nicht heißen soll, wir wären dem Alkohol abgeneigt). Schon gar nicht den Socken- bzw. Schachtelkranz zum 25. Geburtstag. Der Sockenkranz (für Männer, Frauen bekommen einen Schachtelkranz) wird von dem Freundeskreis des Geburtstagskindes zu dessen Haus getragen, auf der Strasse der Länge nach ausgebreitet und dann hat der Glückliche diesen abzuschreiten. Das sieht so aus, dass das Geburtstagskind für jeden Schritt entlang des Kranzes einen Kurzen trinken muss. Bei einer Länge von 100m und mehr kann es somit schonmal passieren, dass das "Opfer" seine eigene Party nicht mehr miterlebt und stattdessen frühzeitig schlafen geht oder den Rest des Abends in gebückter Haltung über dem Klo verbringt. Als der Erste von uns, die wir uns ja unbedingt von all dem abgrenzen wollten, nun seinen 25. Geburtstag erlebte, dachten wir, wie lustig es doch wäre, ihm einen Sockenkranz vorbeizubringen. Nicht als Ritus, nur als Verarsche. Eine einmalige Sache halt. Das es sich tatsächlich nicht um eine einmalige Verarsche handelte, sondern wir auf dem besten Weg waren, uns in die emsländischen Traditionen einzureihen, wurde uns spätestens beim dritten Geburtstagskind bewußt: kein normales Abschreiten - das Geburtstagskind hatte dabei einen blöden Hut zu tragen oder ein Kleid, der Kranz wurde jedes Mal verlängert usw. Heute sind wir an dem Punkt, dass nächstes Jahr die letzten von uns ihren 25. Geburtstag feiern werden. Als ich letzten Samstag für die eben beschriebene Prozedur im Emsland war, ein Freund war mal wieder an der Reihe, erfuhr ich, dass sich die Dinge nächstes Jahr ändern: da wir nächstes Jahr ein Schaltjahr haben, erhalten Männer einen Schachtel- und Frauen einen Sockenkranz. Penibler lässt sich das Ganze nun wirklich nicht mehr durchführen. An der Sache mit der Sozialisation scheint also doch was dran zu sein. Nächstes Jahr dürften alle meine Freunde diese Erniedrigung erlebt haben - ich war übrigens 2005 dran, fragt nicht wie es war, ich hab keine Ahnung mehr. Bald wird der Erste 30 Jahre alt, aber das mit den Rathaustreppen fegen machen wir dann doch nicht mehr mit... Höchstens einmal als Verarsche!
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