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Die Macht der Sprache

So. Die Baustelle ist eine Straße weitergezogen und der Lärm hält sich fortan in Grenzen. Zeit also, sich auf Wohnungssuche zu begeben und direkt fündig zu werden: eine wunderbare Zweizimmerwohnung in einem netten Stadtteil. Natürlich ist ab Einzugstermin die Renovierung der Fassade angesetzt und die Straße dort ist in einem Zustand, der Handlung seitens der städtischen Straßenbaubehörde erfordert. Wie gemacht für uns! Aber wir freuen uns trotzdem auf unser neues Domizil, welches die Lebensqualität erheblich erhöhen wird.
Zeit also auch, um Nachmieter zu finden und sich auf Syntax und Semantik der Wohnungsannoncen-Linguistik zurück zu besinnen. Da wird aus einer extrem kleinen, ungünstig geschnittenen, unmöblierten Küche schon mal eine "gemütliche, kulinarische Kreativwerkstatt, mit großem Gestaltungspotential". Eine im Unterhalt extrem teure Nachtspeicherheizung würde Mietinteressenten schon beim Lesen der Annonce abschrecken. Daher sollte nicht unerwähnt bleiben, dass sie extrem leise ist und nie gluckert, wie das andere Heizkörper für gewöhnlich tun. Zwar ist die Wohngegend nicht die Beste, doch bietet sie den multikulturellen Charme einer Großstadt, hat viel Flair und bietet dem modernen Stadtguerilla von heute den nötigen sozialromantischen Background. Die Hellhörigkeit darf man nicht als Belästigung missverstehen, sondern muss sie als Werkzeug deuten, das für nachbarschaftliche Kommunikation entgegen der Anonymität einer Großstadt steht.
Haben wir Ihr Interesse wecken können? Dann senden Sie einfach eine Mail mit der Chiffre 666 an nebenstehende elktronische Postadresse. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht und bedanken uns schon vorab für das gezeigte Interesse...
 
 [Same shit, different day...]    Link  (2 Kommentare)   Ihr Kommentar    

Wörter wie interessant, individuell geschnitten oder gemütlich sollten einem auch eine Warnung sein.
"Interessant" ist es gerade auch zu beobachten, was das Wort "Wohnungswechsel" bei Freunden und Bekannten für ad-hoc-Assoziationen auslöst. Wir haben eine Mail rumgeschrieben, in der wir Freunde und Bekannte fragten, ob die jemanden kennen der gerade auf Wohnungssuche ist. Resultat: heute haben sich mehrere Leute gemeldet, die nachgefragt haben, ob wir uns getrennt haben...
So hänge ich heute den ganzen Tag am Hörer: die einen fragen, ob die Wohnung noch zu haben ist, die andern wollen wissen, ob ich Bedarf zum "reden" habe... Und heute Abend gehen schon die Besichtigungen los... Aaargh...
Und nun der Bogen zurück: in Frankfurt gibt es noch genügend Menschen, die sich von diesem Vokabular nicht abschrecken lassen oder aber einfach nur verzweifelt sind. Man neigt hier meist dazu, nach dem Wort "günstig" den Rest der Annonce zu überspringen ;-)






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