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Der fünfte Tag

Bei EM- aber auch bei WM-Spielen habe ich schon alles erlebt: betrunken und nüchtern, gelangweilt oder mitfiebernd, bei Freunden im Garten, auf´m Sofa oder in der Kneipe - aber noch nie musste ich dabei arbeiten.
Als ich zum Anpfiff der zweiten Halbzeit Portugal-Tschechien auf der Arbeit erschien, war alles stumm: kein Pfiff, keine Fanchöre, keine Kommentatoren. Komisch! Einen Kollegen gefragt, warum der Fernseher nicht läuft und erfahren: das Experiment Fussballgucken und Arbeiten wurde von einem wütenden Chef am vierten Spielwerktag eingestellt. Seine Wut war so unermesslich, dass selbst das obligatorische Radiogeplänkel nicht laufen durfte. Totale Informationssperre! Grund: es sind in den letzten Tagen so viele Fehler gemacht worden, dass es Beschwerden seitens der Kunden nur so hagelte. Dumm gelaufen...
Also startete der vierte Spieltag erst mit dem zweiten Spiel Portugal-Tschechien, nachdem Chef sich gegen Acht in den Feierabend verabschiedet hatte. Ein tolles, spannendes, Faulheit förderndes Ereignis. Vorab mit einem Kollegen um zwei Euro auf das Ergebnis gesetzt - er 2:1 Schweiz, ich 2:1 Türkei (ole ole!). Die Sympathien unter den Kollegen waren leicht ungleich verteilt: ich und der einzige türkische Mitarbeiter waren ganz bei seinen Leuten, während alle anderen auf der Arbeit vertretenen Nationalitäten sich den Schweizern angebiedert hatten.
Als die vier Minuten Verlängerung angekündigt wurden, hatte auch der Letzte den letzten Funken Konzentration, der für die Arbeit reserviert war, vollends auf das Spiel fokussiert. Schweiz greift an, Türkei kontert... drin das Ding. Mein Wettpartner übergab mir, den Rest des Spiels nicht mehr abwartend, seine bzw. meine zwei Euro, die übrige Belegschaft versuchte ihren Frust mit Arbeit zu bewältigen. Und eh man sich versah, war auch schon Feierabend bzw. -nacht.
Getrübt wurde mein Erfolg jedoch dennoch: die zwei Euro wurden sofort in einen Döner investiert, den ich mir zur Feier des Tages mal gönnen wollte, doch irgendwie ist er mir nicht gewohnt gut bekommen. Der Erscheinungstermin dieses Beitrags hat sich um circa eine halbe Stunde verzögert, die ich auf dem Klo verbracht habe. Hochmut kommt immer noch vor dem (Durch-)Fall...
 
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