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Von Billard, Kaffee und Zockern

Es gibt einige gute Gründe, weswegen man zum Billardspielen ein Spielothek jeder Kneipe mit Billardtisch vorziehen sollte. Kneipen und Cafés, die über einen Billardtisch verfügen, sind eben nicht nur zum Spielen da, sondern auch zum Feiern. Dementsprechend sehen die Tische dann auch aus: versifft, mit Flecken überzogen, unspielbar... Eine Kneipe in meiner Heimatstadt hatte sogar zwei Tische - nur nebenbei: da bin ich billardmäßig entjungfert worden. Allerdings mussten die Tische auch bei Silvesterparties als Buffetanrichte herhalten, und die Queues haben bestimmt schon bei mehreren Schlägereien einen ausgangsentscheidenden Beitrag geleistet. Alles war versifft und verzogen. Da in Kleinstädten oftmals irgendwelche Möchtegernrocker anzutreffen sind, hat man beim Spiel streckenweise auf die schwarze Acht verzichten müssen, die wieder irgendeinem Idioten als wertvolles Andenken gedient hat. Als wir dann 18 geworden sind, konnten wir endlich auf die örtliche Spielothek ausweichen.
Spielotheken bieten einige Vor- aber auch einige Nachteile. Zu den Vorteilen zählen mitunter, dass es meist kostenlosen Kaffee gibt, um die Zocker bei Laune zu halten – wach spielt es sich vermutlich besser. Zudem sind die Tische in einwandfreiem Zustand und man darf rauchen. Zu den Nachteilen sind unbedingt die Zocker zu zählen. Ein komisches Volk, dass den ganzen Tag auf blinkende Lichter starrt, wie unsereins auf den Desktop. Und dann gibt es in manchen Spielotheken noch abstruse Regeln. Beispielsweise jene, die mich heute zum ersten Mal in den direkten Kontakt mit Nachteil Nr. Eins, dem Zocker, gebracht hat.
In der Spielothek, in der ich heute ein paar Kugeln zu stoßen gedachte, gibt es die abstruse Regel, dass Gratisgetränke nur alle volle Stunde an Billardspieler und Kaffee jederzeit an Zocker ausgeschenkt werden darf. Der Verkauf von Getränken wird nicht betrieben. Da wir am Tisch schon eine Flasche Gesöff hatte, riet mir die Thekenkraft daher, für einen Kaffee Geld in einen Automaten zu schmeißen. Sie würde ihn mir dann schon bringen.
Im Nebenraum konnte man durch den ganzen Zigarettendunst nur die blinkenden Lichter der Automaten erkennen. Anwesende dunstproduzierende Gestalten waren nur silhouettenhaft zu erahnen. Ich setzte mich an einen freien Automaten, warf vierzig Cent Kleingeld ein (ein fairer Preis für einen Kaffee) und wartete auf mein Getränk. Da geschah irgendwas. Das Ding machte Musik und fing an zu blinken.
„Was machst du da, du Penner. Das ist mein Automat.“
„Nee. Der war frei. War kein Geld drin...“
„Halts Maul, du Arsch. Ich spiel da schon den ganzen Tag dran.“
Sprachs, schubste mich beiseite und fing an, irgendwelche Knöpfe an meinem Automaten zu drücken. Inzwischen war auch mein Kaffee eingetroffen und die freundliche Bedienung redete auf den Aggro-Zocker ein, er solle mich in ruhe lassen, der Automat sei frei gewesen und er solle hier keinen Lauten machen. Ihre Worte zeigten Wirkung und die Gestalt verschwand, „Dann spiel halt, Du Arsch“ murmelnd wieder in die Dunstwand.
Ich derweil „Hab ich jetzt was falsch gemacht“ stotternd durfte mein Spiel beenden. Aus den vierzig Cent sind inzwischen 1,50 € geworden, und ich sah nur noch, wie sich diese Zahl in atemberaubenden Tempo wieder der Null annäherte. Ich konnte gerade noch rechtzeitig auf den Geldausgabeknopf drücken, um zwanzig Cent zu retten. Damit hat sich der Preis des Kaffees mehr als halbiert. Ich war – zwar schockiert – aber zufrieden. Ich hatte, was ich wollte.
Allerdings werde ich das nächste Mal gründlich drüber nachdenken, wieder in eine Spielothek zu gehen. Die Begegnung mit derartigen Menschen kann man sich echt sparen. Man hat irgendwie Mitleid – schließlich ist deutlich eine Sucht erkennbar – und ist gleichzeitig nur darauf bedacht, wieder zu verschwinden. Ich überlege immer noch, an die versifften Tische mit krummen Queues und fehlenden Achten zurückzukehren oder mich erneut mit der Begegnung mit einem Zocker in freier Wildbahn auseinander zu setzen. Not gegen Elend. Die Stones hatten wohl recht: „You cant always get what you want.“
 
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