Back to the Roots Donnerstag, 24. Juli 2008, 20:30
Ab und an, circa vier Mal im Jahr, zieht es mich zurück ins Emsland, um meinen Eltern einen Pflichtbesuch abzustatten. Man kann den Emsländern so lange Konservativismus vorwerfen, wie man will - vermutlich trifft es auch auf die Menschen zu, wenn man sich die Wahlergebnisse der letzten... äh... seit wann gibt es Wahlen oder CDU bzw. Zentrum... naja... -, aber mein kleines Heimatstädchen ändert sich jedesmal aufs Neue. Hier eine neu gepflasterte Strasse, da ein neues Geschäft. Jedesmal entspricht das Städtchen nicht mehr dem, was ich einst verlassen habe. Ganze Landschaften wurden planiert, um Neubausiedlungen Platz zu machen, Baggerseen verschwinden zugunsten von Yachthäfen und die Strasse, in der ich aufgewachsen bin, ist neuerdings zur 30-Zone erklärt worden. Geschäften kann man eine Lebenserwartung von drei Monaten nachsagen, Neueröffnungen scheinen wöchentlich anzustehen. Ständig wir saniert, renoviert, restauriert, planiert,... Selbst mein Elternhaus ist dank diversen Heimwerkersendungen nicht von der Renovierungswut verschont verblieben: hier ein neues Gardinchen, da eine neue Tapete, neuer Teppich, neue Fliesen und diese ganzen verfluchten Assesoirs. Wo habe ich eigentlich damals meine Kindheit und Jugend verbracht? Nichts scheint mehr so zu sein, wie es mal war. Am liebsten hätte ich bei meinem Weggang ins Exil eine risiege Gläserne Kuppel über die Stadt gesetzt, diese mit Wasser gefüllt und Styroporkügelchen als Kunstschnee reingeschmissen. Konservierte Nostalgie, bei Bedarf konsumierbar. Das Emsland will sich modern geben: die alten versifften Gehwege werden unisono in rosa und grau gepflastert. Kreisverkehr statt Kreuzung. Ich will mich ja nicht beschweren, aber meines Erachtens tötet man gerade den letzten Rest Identität und Individualität. Das provinzielle Image wird eher gefördert als beseitigt. Es gibt nichts schlimmeres, als Provinznester, die gerne eine moderne Stadt sein wollen. Nach zweieinhalb Tagen hatte ich genug von dieser maskierten Provinzialität und ließ mich zum Bahnhof bringen. Kaum war mein In solchen Momenten bedient man sich der ewig konstanten emsländischen Mentalität "Abwarten und Bier trinken", um am Ende festzustellen, dass manche Sachen sich doch nie ändern und im Endeffekt alles so ist, wie immer.
Amen
,,Es gibt nichts schlimmeres, als Provinznester, die gerne eine moderne Stadt sein wollen" - wie wahr, wie wahr. Ich kenne ähnliche Beobachtungen und Gedanken von meinem Heimatstädtchen.
>> Kommentieren Das gleiche Phänomen beobachte ich auch in meiner norddeutschen Heimatstadt, in der gerne im großen Stil gebaut wird, um mehr Touristen anzulocken. Leider gelang das in der Vergangenheit aber nur so lala, da die Projekte entweder viel zu provinziell waren oder zur Gigantomanie neigten, nie gebaut wurden und außer fetter Honorare für die Projektentwickler nix dabei rumkam. >> Kommentieren |
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