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Von Walkmen, Mixtapes und Jugendkultur

Der Walkman wird also dreißig Jahre alt. Neben diesem nostalgischen „Ach ja“-Gefühl, das jemanden meines Alters überkommt, wenn er nur das Wort Walkman hört, fragt man sich auch automatisch, was aus den Kassetten von damals geworden ist. Wo sind die alle hin? Vermutlich von Umzug zu Umzug langsam aussortiert. Mittlerweile verfüge ich nicht mal mehr über ein Kassettendeck in der Anlage. Wozu also die alten Mixtapes horten, wenn man sie eh nicht mehr abspielen kann. Dabei vergisst man jedoch schnell, wieviel Arbeit in jedem Einzelnen davon steckt und was für Kustwerke es letztendlich waren. Denn das Erstellen eines guten Mixtapes geschah nach strengen Regeln und immensem Aufwand. Wenigstens die theoretischen Grundlagen sind heute immer noch aktuell, will man eine gute CD-Compilation brennen oder eine vernünftige Playlist auf den MP3-Player laden.

Unsereiner hatte damals Stunden in das Erstellen eines guten Mixtapes zu investieren: bis man zunächst die richtigen Tracks hatte – das Internet gab es schließlich noch nicht - musste man die Musiksammlungen unzähliger Freunde und Bekannte durchforsten. Der erste Schritt zum perfekten Mixtape war demnach immer der soziale Kontakt und ausgiebige Recherche.

Dann hatten die meisten Mixtapes den konkreten Anlass, künftig ein begehrtes Mädel bespassen zu sollen. Da viele dieser menschlichen Gattung allerdings genau auf die Lyrics achteten und in jede Strophe eine versteckte Botschaft des Erstellers interpretierten, waren vor dem Aufnehmen unbedingt Hausaufgaben in Sachen "weibliche Psyche" und Textinterpretation zu leisten: die intellektuelle Vorarbeit.

Für das eigentliche Bespielen der Kassette gab es zwei Methoden: entweder man machte sich vorher Notizen und entwarf die Reihenfolge der Songs quasi am Reißbrett oder aber man ließ eins zum anderen kommen. Ersteres war meist nötig, wenn der Adressat vom anderen Geschlecht war; Zweiteres empfahl sich, wenn das fertige Tape den eigenen Musikgenuss und den von guten Kumpels befriedigen sollte.

Letzten Endes galten für beide Methoden die – meines Erachtens – immer noch aktuellen Regeln: auf keinen Fall sollte man z.B. die Musikgenres zu sehr durcheinander mischen, also bspw. "Slayer" auf "Howard Carpendale" folgen lassen (obwohl das schon wieder als ironisches Stilmittel interpretiert werden könnte); zudem fängt man mit ruhigeren Songs an und steigert sich dann langsam - das heißt, wenn man unbedingt von "Howard" zu "Slayer" will, dann sollte man ein paar Songs zwischenschalten, die Tempo und Genre langsam wechseln.

Der einzige Kniff, der mit der Kassette ausgestorben ist und der damals als eine Finesse galt, war, dass man die Songs auf dem Tape so gewählt hat, das am Ende jeder Seite keine langen Pausen entstehen. Dahingehend war die Reißbrettmethode sinnvoll, da man ständig mit der Dauer der einzelnen Tracks kalkulieren konnte. Bei der Hau-Drauf-Methoden musste man am Ende jeder Seite einen Track finden, der die Pause füllt. Das konnte die künstlerische Freiheit schon immens einschränken.

Heutzutage sind die Kiddies, wenn man Ihnen den ständigen Begleiter meiner Jugend in die Hand drückt, schnell überfordert. Ihnen fehlt jedes Basiswissen über Kassetten und jede Kenntnis über die Evolution des mobilen Musikgenusses. Die BBC hat anlässlich des 30. Walkman-Geburtstages einem 13-jährigen eine Woche lang einen Walkman zu Testzwecken zur Verfügung gestellt. Das Resultat sieht so aus:
"It took me three days to figure out that there was another side to the tape. That was not the only naive mistake that I made; I mistook the metal/normal switch on the Walkman for a genre-specific equaliser, but later I discovered that it was in fact used to switch between two different types of cassette."

 
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Zu Recht ein Klassiker



Ich bin etwas verwirrt gewesen, als meine Freundin Karl Marx aus dem Bücherregal genommen hat. Ist schließlich gar nicht ihr Ding. Meins auch nicht, wenn ich ehrlich bin, denn gelesen habe ich ihn immer noch nicht. Dafür liegt er schon seit zwei Monaten auf meinem Nachttischchen. "Jetzt, wo ich Zeit habe, ist er dran", verkündete ich damals mit drohendem Unterton. Die Schelte, diesen Mann als Türstopper zu missbrauchen, blieb mir somit im Halse stecken. Immerhin fängt Frau mit dem Buch mehr an, als meiner einer...

Ich weiß nicht, warum, aber vor ca. fünf Jahren - ich war damals 24 Jahre alt - legte ich mir eine Liste an, auf der ich Dinge notiert habe, die ich bis zu meinem dreißigsten Geburtstag erledigt haben wollte. Sie beginnt bei "Jemandem eine Sahnetorte ins Gesicht schmeißen" und endet bei "Mit dem Rauchen aufhören" - ja, ich bin Spätadoleszente. Ersteres entstand aus einem Bild in meinem Kopf, inspiriert von diversen Cartoons; letzteres entstand aus der Not heraus, dass solche Listen üblicherweise IMMER 10 Dinge beinhalten, und mir fiel beim besten Willen nichts idiotisches mehr ein - eingedenk der Tatsache, dass "Karl Marx" lesen auf Platz 6 gelandet ist.

Aktuell bin ich rein charakterlich und emotional insgesamt noch keinen Schritt weiter als vor 5 Jahren. Ich weiß nicht mehr, wie ich mir mich vor 5 Jahren in 5 Jahren vorgestellt habe könnte, aber auch heute würde ich nicht den Mut dazu aufbringen, bestimmte Dinge auf dieser Liste reinen Gewissens abzuhaken (ich denke da speziell an die Sahnetorte - und, ehrlich gesagt, beim Rauchen bin ich mir auch noch nicht so sicher). Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb ich die Vorstellung, Karl Marx zu lesen, immer noch nicht für eine dumme Idee halte. Verzeichnete der Klassiker von damals nicht mit Aufkommen der Krise neue Auflagenrekorde? Kann es sein, dass er immer noch aktuell ist? Wenn man mal den Kommunismus außer Acht lässt, bleibt die Gesellschaftskritik dann nicht immer noch diskutabel? Um Antworten auf diese Fragen zu bekommen, gibt es nur einen Weg! Aber der erfordert gerade so viel Disziplin....

Dennoch hat Karl Marx nun erstmal einen festen Platz in meinem Leben. Damit die Nachbarn uns nicht vom Flur aus im Bett beobachten können und nachts trotzdem ein angenehm kühler Durchzug im Schlafzimmer herrscht, ist der gute alte Karl unser neuer Türstoppersteher. Und jedesmal, wenn ich mich die nächsten Wochen auf die Seite drehe, um in Freddy Krügers Welt der Träume wegzuschlummern, wird Karl Marx mich an meine Liste erinnern und daran, was ich vor fünf Jahren erreichen wollte. Somit ist der Herr Marx nach wie vor ein Mahner und Kritiker.

Und wer weiß: Vielleicht findet man morgen an dieser Stelle ein tolles Rezept für eine leckere Sahnetorte! Oder eben harsche Gesellschaftskritik...
 
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Sitzstreik

Ich werde jetzt einfach so lange vor meinem Laptop sitzen bleiben, bis ich etwas vernünftiges geschrieben habe. Sommerloch hin oder her. Irgendetwas spannendes passiert doch schließlich immer...
 
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No we cant...

Der Bildungsstreik hat nun gestern auch Frankfurt erreicht - naja, zumindest ein paar Frankfurter Studenten - und ich war dabei. Laut der heutigen Printausgabe der Frankfurter Rundschau beteiligten sich ca. 500 Menschen an dem Demonstrationszug, der sich vom Campus Bockenheim durch die Stadt zum IG-Farben-Campus bewegte. Dort versuchte man dann, Streikbrecher ahnungslose Studenten aus den Vorlesungen zu holen, um dann die Demo gestärkt fortzusetzen. Die Organisatoren skandierten dabei immer wieder Sprüche durch die Megafone, die sich meist auf "Bildung", "Scheiße", "Banken" oder "Gebühren" reimten. Dann ging es in einem kurzen Bogen um den Campus in den Grüneburgpark. Wären Frisbyspieler und Nudisten für die Mängel im Bildungssystem verantwortlich gewesen, hätte diese Route sicherlich Sinn gemacht. So jedoch bewegte man sich ca. eine halbe Stunde fernab von jeder Öffenlichkeit. Schließlich erreichte man wieder den Campus Bockenheim, wo ich mich verabschiedete und enttäuscht nach Hause fuhr.
Tatsächlich liest man zum Thema Bildungsstreik nichts über die Studenten der Stadt, in der die 68er damals die legendäre studentische Protestwelle lostraten. Anfänglich fand ich es schön, mich mal wieder - wenn auch nur in einer kleinen Masse - für eine gute Sache einzusetzen. Als bei der ersten Straßensperre die Megafone lapidar und respektlos verkündeten, "Sagt den Bullen mal, dass sie sich verpissen sollen!!!", stellten sich mir kurz die Nackenhaare auf. Das war herrlich. Revolutionärer Geist und ich war dabei. Aber das war es dann auch schon. Die Menge hat sich am neuen Campus nicht wirklich vergrößert, sondern eher verkleinert...
Ich bin mal gespannt, ob man heute erfolgreicher war. Laut Flyer war für heute Mittag ein symbolischer Banküberfall geplant, und merere Kundgebungen sind angekündigt worden. Ob sich dem nun aber auch mehrere Leute als gestern anschließen, steht in den Sternen.
Heute hatte sich eine junge, wohnungssuchende Studentin unsere Wohnung angesehen. Zumindest sie hatte ihre Bücher unter dem Arm...

EDIT 19:45 Uhr:
Geht doch!
 
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Twitter II

Also, ich muss meine anfängliche Meinung über Twitter nach einem halben Jahr nochmals korrigieren. Inzwischen kann ich mich dem Gezwitscher doch hingeben. Wenn man erstmal ein paar interessante Twitterer im Abo hat - bzw. deren "Follower" ist - erhält man zahlreiche Links für den Totschlag an der Langeweile.
Und als ich jetzt gesehen habe - via Twitter, versteht sich - dass man sogar per C64 zwitschern kann, konnte ich mir das offizielle Bekenntnis an dieser Stelle nicht mehr verkneifen. Dem Charme des guten, alten C64 bin ich ja total erlegen...
Ich hoffe, in naher Zukunft einen Eintrag mit dem Titel "Twitter III" schreiben zu können, indem ich mich nochmals bezüglich des Microbloggings um 180° drehe und somit zur Ausgangsposition zurückkehren kann. Die Jobsuche läuft, Bewerbungsgespräche stehen an, und wenn alles gut läuft, habe ich dann auch weniger Langeweile. Denn "sinnvoll" ist immer noch was anderes...
 
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Die Macht der Sprache

So. Die Baustelle ist eine Straße weitergezogen und der Lärm hält sich fortan in Grenzen. Zeit also, sich auf Wohnungssuche zu begeben und direkt fündig zu werden: eine wunderbare Zweizimmerwohnung in einem netten Stadtteil. Natürlich ist ab Einzugstermin die Renovierung der Fassade angesetzt und die Straße dort ist in einem Zustand, der Handlung seitens der städtischen Straßenbaubehörde erfordert. Wie gemacht für uns! Aber wir freuen uns trotzdem auf unser neues Domizil, welches die Lebensqualität erheblich erhöhen wird.
Zeit also auch, um Nachmieter zu finden und sich auf Syntax und Semantik der Wohnungsannoncen-Linguistik zurück zu besinnen. Da wird aus einer extrem kleinen, ungünstig geschnittenen, unmöblierten Küche schon mal eine "gemütliche, kulinarische Kreativwerkstatt, mit großem Gestaltungspotential". Eine im Unterhalt extrem teure Nachtspeicherheizung würde Mietinteressenten schon beim Lesen der Annonce abschrecken. Daher sollte nicht unerwähnt bleiben, dass sie extrem leise ist und nie gluckert, wie das andere Heizkörper für gewöhnlich tun. Zwar ist die Wohngegend nicht die Beste, doch bietet sie den multikulturellen Charme einer Großstadt, hat viel Flair und bietet dem modernen Stadtguerilla von heute den nötigen sozialromantischen Background. Die Hellhörigkeit darf man nicht als Belästigung missverstehen, sondern muss sie als Werkzeug deuten, das für nachbarschaftliche Kommunikation entgegen der Anonymität einer Großstadt steht.
Haben wir Ihr Interesse wecken können? Dann senden Sie einfach eine Mail mit der Chiffre 666 an nebenstehende elktronische Postadresse. Wir freuen uns auf Ihre Nachricht und bedanken uns schon vorab für das gezeigte Interesse...
 
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